APRIL 2024

„Unternehmen stehen vor einer Können-wir-uns-das-überhaupt-leisten-Frage“

Thomas Vinnen ist seit über 20 Jahren auf Finanzierungslösungen im Mittelstand spezialisiert. 2010 gründete er die Nord Leasing GmbH, einen Experten für die Vermittlung bankenunabhängiger Liquidität. Das Unternehmen mit Fokus auf den produzierenden Mittelstand ist bundesweit der führende Anbieter von „Sale & Lease Back“- sowie „Sale & Rent Back“-Lösungen.

Im Interview beschreibt Thomas Vinnen die wachsende Bedeutung, die bankenunabhängiger Finanzierung derzeit zukommt. Dafür skizziert er, welchen kostenintensiven Herausforderungen sich mittelständische Unternehmen aktuell stellen müssen, und wie alternative Finanzierungsinstrumente wie Sale & Lease Back und Sale & Rent Back dabei helfen können.

Herr Vinnen, bitte erzählen Sie uns zunächst etwas über Ihren beruflichen Background
Als Bremer Reedersohn zog es mich immer wieder auf Entdeckungsreise. Meine Ausbildung und erste Anstellungen haben mich zunächst nach England, in die USA und in die Schweiz geführt. Statt danach in meine norddeutsche Heimat zurückzukehren, blieb ich in Süddeutschland und fand in den frühen Nullerjahren bei der DaimlerChrysler AG ein berufliches Zuhause. Dort war ich in verschiedenen leitenden Positionen tätig. Hinzu kam anschließend die Tätigkeit als Alleinvorstand eines Einkaufsfinanzierers.
2010 kam dann endlich die Zeit für die Umsetzung meiner eigenen Ideen: Mit einem Gesellschafterkreis im Rücken konnte ich in Hamburg die Nord Leasing GmbH gründen. Sie wurde von Beginn an zu einem starken Partner des produzierenden Mittelstandes geformt. Bis heute arbeiten mein Team und ich erfolgreich an der Weiterentwicklung und dem Wachstum unseres Unternehmens.

Wann bekam das Thema „bankenunabhängige Finanzierung“ für Sie ein stärkeres Gewicht?
Als Bankkaufmann und Diplom-Kaufmann habe ich mich in fast allen meinen Tätigkeiten mit Finanzierungsthemen beschäftigt. Über die letzten 30 Jahre hinweg ließ sich dabei sozusagen live miterleben, wie die Finanzierungsmöglichkeiten der Kreditinstitute durch verschiedene Entwicklungen Stück für Stück eingeschränkt wurden. Dabei hat sich zum Beispiel gezeigt, wie Regulatorik die Schnelligkeit und Flexibilität von Finanzierungen negativ beeinflusste. Als ich 2006 die Leitung einer Münchener Finanzierungsgesellschaft übernahm, wurde die bankenunabhängige Finanzierung zu meinem Leib- und Magenthema. Das ist es bis heute geblieben – es bildet den Schwerpunkt unserer Leistungen bei der Nord Leasing.

Können Sie diesen Schwerpunkt konkretisieren?
Mit der Nord Leasing können wir Liquiditätslücken von Kunden durch eine Innenfinanzierung schließen. Es geht insbesondere darum, vorhandenes Anlagevermögen in eine Finanzierungstransaktion mit uns einzubringen. Unsere Kunden rekrutieren sich vor allem aus produzierenden Unternehmen, kommen dabei aber aus sehr heterogenen Branchen. Das Produzierende ist also das Wesentliche – einen Branchenschwerpunkt oder limitierenden Fokus auf bestimmte Segmente haben wir nie verfolgt.

Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptgründe, warum Unternehmen heutzutage verstärkt nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten Ausschau halten?
Dass Unternehmen heute intensiver als früher nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten suchen, hat verschiedene Gründe. Ganz klar muss man sagen, dass es sozusagen systemimmanente Zwänge gibt. Die ergeben sich vor allem aus den gestiegenen Anforderungen beim Thema Nachhaltigkeit und regulatorische Faktoren wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).

Sie sind mit Ihrem Unternehmen vor allem auf den Mittelstand spezialisiert. Welche Besonderheiten beachten Sie hier im Hinblick auf die genannten Zwänge?
Nachhaltiges Handeln ist im Mittelstand seit jeher stark verankert. Das liegt vor allem daran, dass Inhaber und Inhaberinnen der Zukunft ihres Unternehmens auf sehr spezielle Art und persönlich verbunden sind. Die genannten Zwänge treffen hier also auf eine hohe Bereitschaft, aktiv zu werden. Wobei man betonen muss, dass es ja nicht nur um Sustainability-Bemühungen oder Regulatorik geht. Digitaler Wandel, krisenanfällige globalisierte Strukturen, schwieriger werdende Ressourcenbeschaffung und konjunkturelle Unsicherheiten – die Menge an Herausforderungen ist derzeit so groß wie nie. Man kann darum durchaus sagen, dass Flexibilität die Tugend der Stunde ist. Die zeichnet den Mittelstand in weiten Teilen auch per se aus, so weit so gut. Flexibel zu sein und Strukturen zu ändern, erzeugt aber auch einen hohen personellen und finanziellen Druck. Und der macht vielen KMU deutlich zu schaffen.

Können Sie uns das näher erläutern?
Bleiben wir mal beim Beispiel Sustainability. Unternehmen müssen sich ja hier zunächst erstmal selbst analysieren, ihre Hausaufgaben identifizieren und dann deren Erledigung planen und steuern. Das ist unglaublich ressourcen- und kostenintensiv. Nun kann man sagen: Gemacht werden muss es trotzdem. Aber bei vielen mittelständischen Unternehmen sind Zeit und Liquidität knappe Ressourcen – zumindest, wenn sie außerhalb des reinen Tages- beziehungsweise Stammgeschäfts benötigt werden. Und das heißt ganz handfest, dass man bisweilen sogar vor einer Können-wir-uns-das-überhaupt-leisten-Frage steht. Ironie der Geschichte: Auf der Suche nach einer Antwort machen manchen dann ausgerechnet die aktuellen Sustainable-Finance-Richtlinien einen Strich durch die Rechnung. Banken bewilligen nur dann Kredite, wenn ein funktionierendes Nachhaltigkeitskonzept vorgelegt werden kann. Das Ergebnis ist dann ein klassisches Catch-22-Szenario: Die Unternehmen bräuchten das Geld eigentlich, um den Aufwand für ein Nachhaltigkeitskonzept finanzieren zu können, treffen aber auf die Forderung, ein solches Konzept beziehungsweise nachhaltiges Handeln vorweisen zu können, um die Bedingungen für die Finanzierungszusage zu bekommen.

Ihnen als Spezialisten für alternative Finanzierungen dürfte das doch in die Karten spielen, oder?
Wenn Sie so wollen, ist das in der Tat so. Es geht aber nicht darum, von einer Notlage zu profitieren, sondern Unternehmen neue Optionen aufzuzeigen. Und zwar solche, die sich vor allem für unsere Kunden lohnen. Das heißt, die schwierige Kopplung von Finanzierungen an das Bankenrating zu lösen. Und idealerweise auf bereits vorhandene Ressourcen aufzubauen.

Mit diesem Konzept bieten Sie Ihren Kunden das sogenannte Sale & Lease Back an. Wie funktioniert das Modell in der Praxis?


Beim Sale & Lease Back – kurz SLB – stehen unternehmenseigene Vermögenswerte aus dem Anlagevermögen im Mittelpunkt. Die stellen bei produzierenden Unternehmen häufig substanzielle Werte dar. Sprich: Hier ist Geld gebunden, das man versucht, im Sinne hoher Innenfinanzierungskraft liquide zu machen. Dazu ermittelt eine Leasinggesellschaft wie Nord Leasing zunächst den Marktwert und die Sekundärmarktfähigkeit der Anlagen. Das Ergebnis ist ein Angebotspreis, zu dem die Leasinggesellschaft die Anlagen ankauft. Die Transaktionssumme steht dem Unternehmen dann als frische Liquidität zur Verfügung und erhöht den operativen Cashflow. Unmittelbar nach dem Verkauf werden die Anlagen durch den Verkäufer zurückgeleast. Weil sie dafür komplett im Zugriff des Unternehmens verbleiben, können sie operativ wie gewohnt weitergenutzt werden. Es kommt zu keiner Zeit zu einer transaktionsbedingten Unterbrechung des Produktionsprozesses. Ein entscheidender Aspekt bei der ganzen Abwicklung ist, dass die Bewertung der Assets rein objektbezogen erfolgt. Im Gegensatz zu klassischen Finanzierungswegen ist Sale & Lease Back also nicht von einem Bankenrating abhängig. Die Bonität des Unternehmens spielt bei der Bewertung der Objekte quasi keine Rolle.

In welchen Situationen wenden sich Kunden an Sie für eine solche Finanzierungslösung?
An sich gibt es da keinerlei Grenzen. Die Finanzierung beziehungsweise Transaktion ist ja nicht zweckgebunden. Aber natürlich sind wir mit unseren Kunden oft auch im Austausch darüber, wofür die Mittel eingesetzt werden sollen. Da geht es zum einen wie schon beschrieben um Nachhaltigkeitsbemühungen, also zum Beispiel das Erreichen von Klimaschutzzielen. Das Geld fließt dann in innovative Technologien oder umweltfreundliche Produktionsanlagen. Ein weiteres Beispiel für den Einsatz von SLB-Transaktionen ist die Finanzierung strategischer Akquisitionen. Unternehmen können Mittel liquidieren, die dann für den Erwerb neuer Geschäftseinheiten, Technologien oder Marktanteile eingesetzt werden. So können sie Wachstumsstrategien vorantreiben und neue Märkte erschließen.

Was sind die Hauptvorteile von Sale & Lease Back im Vergleich zu anderen Finanzierungswegen?
Sale & Lease Back (SLB) erlaubt einem Unternehmen, Kapital freizusetzen, ohne auf klassische Kreditinstrumente zurückgreifen zu müssen. Das trägt zur Verbesserung der Eigenkapitalquote bei, was wiederum die finanzielle Stabilität des Unternehmens stärken kann. Darüber hinaus ermöglicht SLB den Unternehmen, stille Reserven in der Bilanz zu realisieren. Das kann zu höheren Buchgewinnen führen, da die Vermögenswerte zum aktuellen Marktwert bewertet werden. Der entstehende Spielraum lässt sich etwa für weitere Investitionen oder zur Schuldentilgung nutzen. Aus meiner Sicht besticht SLB aber abseits davon vor allem dadurch, dass es im Gegensatz zur klassischen Kreditfinanzierung rating- und bonitätsunabhängig ist. Dadurch haben auch Unternehmen mit schwächerer Bonität die Möglichkeit, dringend benötigte Mittel zu beschaffen. Und das kann im Krisenfall den Unterschied zwischen „Kurvekriegen“ und „Totalschaden“ machen.

In welchem Fall lohnt sich für das Unternehmen statt des Leasingmodells ein Sale & Rent Back?
Der namensgebende Unterschied ist hier ja, dass verkaufte Anlagen nicht zurückgeleast, sondern zurückgemietet werden. Das bietet sich für Unternehmen insbesondere dann an, wenn Maschinen und Anlagen ganz oder zum Teil über Fördermittel finanziert wurden. Das Mietmodel sorgt dafür, dass das Unternehmen wirtschaftlicher Eigentümer bleibt. Die Fördermittel müssen dann nicht zurückgezahlt werden. Und buchhalterisch betrachtet lassen sich die Maschinen und Anlagen weiter abschreiben. Insofern empfiehlt sich auch, die Entscheidung zwischen einem Leasing- oder Mietmodell vom Bilanzwert der Objekte abhängig zu machen.

Wie sieht es in Österreich und der Schweiz aus – steigt in den Nachbarländern ebenfalls die Nachfrage nach bankenunabhängigen Finanzierungen?
Ja, und nicht nur dort. Bankenunabhängige Finanzierungslösungen werden in fast allen europäischen Ländern immer beliebter. Das liegt unter anderem daran, dass die Beziehung der Unternehmen in die traditionellen Banken immer herausfordernder wird. Außerdem ermöglichen alternative Finanzierungsformen den Unternehmen ein deutlich unabhängigeres Agieren. Unabhängig davon bieten alternative Finanzdienstleister oft auch eine Beratungsexpertise: Kunden treffen dort nämlich häufiger auf leitende Mitarbeiter oder Gesellschafter, die selbst aus dem unternehmerischen Umfeld kommen. Das schafft eine wichtige gemeinsame Basis im Austausch.


Thomas Vinnen

Geschäftsführender Gesellschafter

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